Wir üben Achtsamkeit: ungeteilte Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment

zurück

Unsere Welt ist hektisch, wohl hektischer denn je, und das trifft wohl insbesondere auch auf den Arbeitsalltag von Unternehmern und Führungskräften zu – sofern man nicht eine kleine Strandbar sein „Unternehmen“ nennt und jeden Tag den Blick aufs Meer genießen kann. Wir sind wahre Multitasking-Experten geworden. Frühere Generationen wären bei dieser multimedialen Dauerbeschallung wahrscheinlich wahnsinnig geworden, für uns ist es Alltag. Das Smartphone ist scheinbar überlebenswichtig, und gleichzeitig wollen Mitarbeiter ihre Fragen beantwortet haben, Kunden verlangen nach Aufmerksamkeit, das Telefon klingelt und im Posteingang warten dutzende, ungelesene Emails. Und Feierabend, naja, das scheint ein flexibler Begriff geworden zu sein. Wer checkt nicht noch mehrmals am Abend „schnell“ seine Mails zwischen Abendessen, zu knapper Familienzeit und dem Schlafengehen? Wir stehen unter Dauerstrom, und zum vermeintlichen Ausgleich rennen, radeln oder pumpen wir um die Wette.
Gefangen in diesem Hamsterrad steigen die Zahlen von Burn Outs und Krankheit aufgrund psychischer Überlastung seit Jahren stetig. Im Grund wissen wir alle: gesund kann das auf Dauer nicht sein, wie wir unseren Alltag gestalten, auch wenn die persönlichen Belastungsgrenzen stark divergieren.
Helfen kann Achtsamkeit. Oder auch MBSR genannt – Mindful Based Stress Reduction. Keine Bestsellerliste, auf der dieser Trend nicht auftaucht, die Zahl der Bücher, Apps & Angebote steigt rasant. Doch was hat es damit auch sich?
Das erklärte uns Birgit Lindenberg an einem lauen Sommerabend nach Feierabend in lockerer Runde. Birgit ist Yogalehrerin, Heilpraktikerin und eben MBSR-Lehrerin und praktiziert Meditation und Yoga seit 25 Jahren – eine ausgewiesene Expertin also: „Achtsamkeit bedeutend, den gegenwärtigen Moment mit ungeteilter Aufmerksamkeit völlig bewusst zu erleben, ohne mit den Gedanken woanders zu sein, ohne Bewertung und in voller Akzeptanz gleichgültig, ob er sich angenehm oder unangenehm anfühlt“.
Klingt vielleicht einfach, wir stellen aber in einer ersten, praktischen Übung fest: ist es nicht. Wir sitzen dort, mit geschlossenen Augen, schweigend – und hören in uns hinein. Wir versuchen, unsere Atmung bewusst wahrzunehmen und Gedanken kommen und gehen zu lassen – und ich stelle fest, dass es das Eine ist, den Körper in einen Zustand der Ruhe zu versetzen, aber etwas ganz Anderes, auch den Kopf dazu zu bekommen, sich vollkommen dem Hier und Jetzt zu widmen und nicht bei 100 anderen Dingen gleichzeitig zu sein. So fühlen sich die ersten Minuten wie eine kleine Ewigkeit an und ich frage mich, wann ich das letzte Mal überhaupt fünf Minuten still, schweigend und nichtstuend irgendwo saß. Es fühlt sich gut an.

Während unserer Runde mit Birgit Lindenberg nutzen wir auch ausgiebig die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Was unterscheidet Achtsamkeit von Meditation, wo kommt diese Form her, wie kann man die Übungen in seinen Alltag integrieren? Viele Firmen bieten Mitarbeitern Achtsamkeits- und Meditationskurse an, lässt die Expertin uns wissen, aber auch immer mehr Privatpersonen besuchen ihre Kurse. Der bis heute etablierte Standard ist ein achtwöchiger Kurs, den Professor Jon Kabat-Zinn 1979 entwickelte und der uralte Elemente von Achtsamkeit, Yoga und Meditation mit neuesten Erkenntnissen der Neurowissenschaft und Stressforschung verbindet.
Wir lernen an diesem Abend auch ein Kernelement der MBSR kennen, den sogenannten Bodyscan. In einer verkürzten, vereinfachten Form versuchen wir, mit geschlossenen Augen und ohne Bewegung die verschiedenen Bereiche unseres Körpers „von innen“ zu erfühlen. Von den äußersten Extremitäten bis zum Brustkorb beim Atmen erspüren wir unseren Körper – der eine mehr, der andere weniger erfolgreich, was völlig normal ist, wie uns Birgit Lindenberg wissen lässt.

Es ist ein äußerst spannender und vor allem eindrucksvoller Abend, der nach über zwei Stunden zu Ende geht. Und es bleibt die Erkenntnis, dass es wohl für viele von uns erforderlich wäre, mehr Bewusstsein für sich selbst und den konkreten Augenblick zu schaffen, ganz ohne Stress, Hektik und Multitasking. Einfach bei sich selbst sein. Das klingt so schön und einfach, ist aber – und das erfahren wir an diesem Abend – zunächst ungewohnt und Arbeit, tut aber gut.
Und so bin ich mir sicher, dass Frau Lindenberg den ein oder anderen von uns wiedersehen wird.

Denn jedes Projekt beginnt mit dem ersten Schritt.

Wer mehr über Birgit Lindenberg und MBSR erfahren will:
www.mbsr-lindenberg.de

Ein Beitrag von Maximilian Hartmann. Fotos von Maximilian Hartmann.